Liebe Festgottesdienstgemeinde, besonders lieber Severin Wagner!
Das Evangelium, das wir vorhin gehört haben, ermutigt uns alle, Gott zu vertrauen und uns keine Sorgen zu machen um unser Leben. Denn: „Gott kümmert sich um Euch!“ Das ist eine große Verheißung, die an uns alle gerichtet ist. Jedem von uns gilt die Zusage: „Gott sorgt für Dich!“
Auch das Bibelwort für die Predigt hat eine ähnliche Botschaft. Es passt so gut zu einer Ordination, denn im Bibelwort wie in der Ordination geht es um einen konkreten Menschen. Sie, lieber Severin Wagner, werden heute berufen, gesegnet und gesendet für Ihr ganzes Leben. Ob Ihnen im Blick auf die Zukunft manches Sorgen bereitet?
Der Mensch in unserem Bibelwort macht sich jedenfalls Sorgen um die Zukunft. Eigene Kinder waren im Alten Orient die Altersvorsorge, denn der Familienzusammenhalt war groß.
Abraham hatte keine Kinder und er klagt dies Gott.
Wir hören das Bibelwort:
Nach diesen Geschichten begab sich’s, dass zu Abram das Wort des Herrn kam in einer Erscheinung: Fürchte dich nicht, Abram! Ich bin dein Schild und dein sehr großer Lohn. Abram sprach aber: Herr, was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder und mein Knecht Eliëser von Damaskus wird mein Haus besitzen. Und Abram sprach: Mir hast du keine Nachkommen gegeben; und siehe, einer aus meinem Haus wird mein Erbe sein.
Und siehe, der Herr sprach zu ihm: Er soll nicht dein Erbe sein, sondern der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein. Und er hieß ihn hinausgehen und sprach: Sieh gen Himmel und zähle die Sterne; kannst du sie zählen? Und sprach zu ihm: So zahlreich sollen deine Nachkommen sein! Abram glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.
Zwischen Ihnen, lieber Herr Wagner und Abraham gibt es viele Unterschiede. Der erste ist offensichtlich: Ihnen und Ihrer Frau Mareike sind zwei Kinder geschenkt: Raphael und Susanna. Wir freuen uns mit Ihnen. Wir wünschen Ihnen von Herzen, dass Sie sich als Familie im Lindenhardter Pfarrhaus bald zu Hause fühlen. Danke an alle helfenden Hände, die den Garten instandgesetzt und die Renovierung des Hauses vorangebracht haben.
Der zweite Unterschied liegen auf der Hand: Abraham war alt, sodass er gar nicht mehr erwartete Vater zu werden. Sie sind jung. Die Gemeinde freut sich über einen jungen Pfarrer, der die Sprache dieser Zeit spricht.
Sprache ist ein wichtiges Stichwort für Sie: Sie haben Germanistik studiert und haben ein feines Gespür für Worte, ihren Sinn, ihre Wirkung. Sie bringen klar, ehrlich und mit unverbrauchten Worten zum Ausdruck, was Sie denken und fühlen. Das wurde mir deutlich im Gespräch mit Ihnen.
Ein dritter und letzter Unterschied: Abraham lebte vor ca. 3000 Jahren und war Nomade. Die Berufstätigkeit Ihrer Frau in Hollfeld und die Nähe zu Ihren Eltern in Kulmbach stärkte den Wunsch, in dieser Region leben zu können sofern es sich einrichten lässt. Und es ließ sich ermöglichen: Den Vorbereitungsdienst konnten Sie die letzten zweieinhalb Jahre in Kasendorf bei Pfarrer Lipfert absolvieren, und auch die Stelle hier in Lindenhardt passt regional bestens.
Trotz dieser Unterschiede spricht das Leben Abrahams in Ihre Situation hinein.
Zum einen beginnt die Abrahamgeschichte mit einem großen Aufbruch. Trotz Ihrer Einübung im Vikariat beginnt mit ihrer Ordination Neuland - der Dienst als Pfarrer, der Ihr Leben lang währen wird.
Zum anderen machte Abraham kräftig Fehler. Und trotzdem versteht ihn die Bibel, auch das Neue Testament als Vorbild im Glauben. Das ist ja das Packende an biblischen Gestalten wie Abraham, Mose, Miriam, Petrus – sie werden ganz realistisch gezeichnet als Menschen, die Schwächen haben. Trotzdem sind sie von Gott angenommen und sie sind wichtig für ihn, weil er durch sie Segen bringen will.
Garantiert werden auch Sie, lieber Herr Wagner Fehler machen, so wie auch ich. Wir sind schließlich Menschen und da gehört das dazu. Ob Sie aber auch für andere zum Vorbild im Glauben werden? Ja gewiss! - Nicht für ein ganzes Volk Israel und die weltweite Christenheit, so wie Abraham. Doch auch Ihnen ist in gewisser Weise ein Volk anvertraut - in Lindenhardt und den Dörfern, die zur Gemeinde gehören. Da werden Sie mit jungen Taufeltern zusammen sein und mit Trauernden, die gerade den Verlust eines Menschen zu beklagen haben; da werden Sie - so jung wie Sie sind - ein Pfarrer sein, der zum Glauben hilft und auch zum Leben durch den Glauben.
Es ist ein solcher Segen, dass Gott Ihnen selbst Glauben geschenkt hat. Schon als Kind war das Vertrauen, dass Gott da ist, eine selbstverständliche Grundlage Ihres Lebens. Als Ihnen einige Jahre vor der Konfirmation dämmerte, dass dieser Glaube gar nicht so selbstverständlich ist, wollten Sie mehr wissen und verstehen und kauften sich selbst eine Kinderbibel. Kindergottesdienst, die kirchliche Jugendfreizeit und auch der Religionsunterricht – gerade auch in der Oberstufe - nährten Ihren Glauben und Ihr Interesse.
So wählten Sie neben den Fächern Germanistik und Kommunikationswissenschaft auch Theologie als Sie in Bamberg zu studieren begannen.
Den Pfarrberuf trauten Sie sich damals nicht zu. Die Praktika bei Zeitungen, beim ETA-Hoffmann-Theater und dem Künstlerhaus Villa Concordia und die Teilnahme an einer Theatergruppe für Studierende wiesen zunächst in eine andere Richtung.
Doch es ist oft so bei der Beschäftigung mit der Bibel, dass mit dem Essen der Appetit wächst. So begannen Sie nach absolviertem Bachelor in Germanistik mit dem Volltheologiestudium in Erlangen. Die Evangelische Studierendengemeinde in Erlangen wurde Ihnen zur geistlichen Heimat, wie Sie überhaupt spürten, dass Ihnen die Gemeinschaft der an Jesus Glaubenden wichtig ist für Ihr Leben.
Ich habe natürlich Ihre Stellungnahme zu Schrift und Bekenntnis, Amt und Ordination, die jeder Ordinand abgibt, mehrmals gelesen:
Da ist eine offene Frömmigkeit zu spüren, die sich freut an den Worten der Heiligen Schrift. Von ihnen lassen Sie sich im Innern berühren, sodass Sie ganz eigene Formulierungen des Glaubens finden.
Zurück zu Abraham. Vater im Glauben, das war ein Titel der Abraham beigelegt wurde. Dass Sie ein Vater im Glauben werden für Menschen – mit diesem Anspruch will ich Sie nicht beschweren. Sie werden es aber werden.
Es ist so merkwürdig, da kommen nach Jahren Menschen auf mich zu und erzählen mir, was ich einmal gesagt haben soll; ich weiß es nicht mehr, aber es ist ganz tief in Ihre Seele gefallen und hat ihren Glauben gestärkt. So wird es auch bei Ihnen sein. Die Verheißungen Gottes, die Sie den Menschen zuzusagen, werden weiterwirken. Gott verheißt Abraham, dass aus ihm ein großes Volk entsteht. Wir Christen haben diese Mehrungsverheißung weniger biologisch als geistlich verstanden.
Wenn die Volkskirche immer mehr schwindet – und das ist gegenwärtig der Fall – dann tritt die Institution in ihrer Bedeutung zurück, und Menschen werden wichtiger, die für den Glauben einstehen, die da sind, mit den Menschen leben und ansprechbar sind und den Glauben sensibel, tröstlich, wegweisend, erfrischend ins Gespräch bringen, sodass Glaube wächst.
Gott wird das tun durch Sie und dann weiter durch die Menschen, die Gott durch Sie im Glauben gestärkt hat. Sie arbeiten nicht allein. Gott ist da und es sind tatkräftigen Menschen in der Gemeinde, die einladen zu Gottesdiensten, die verkündigen mit Instrumenten und Chorgesang, die beten für andere und einfach ohne große Worte helfen, wenn man sie braucht.
Ich freue mich sehr für Euch Lindenhardter und die ganze Region, dass Severin Wagner den Mut hatte, diese Stelle anzutreten trotz der unruhigen Zeiten zuvor. Sie haben dafür meinen vollen Respekt, lieber Herr Wagner.
Die letzten Monate waren auch für viele von Ihnen hier im Kirchenschiff nicht einfach. Auch Ihnen gilt mein hoher Respekt, dass Sie dabeigeblieben sind und heute da sind. Möge die gemeinsam Zukunft gelingen durch Gottes Hilfe.
Vieles lässt sich klären, wenn man miteinander spricht. Und so haben Sie, lieber Herr Wagner, auch von vorn herein dem Kirchenvorstand und mir offen gesagt, dass Sie ab September 2024 ein Jahr Elternzeit machen wollen. Denn dann kehren Sie, liebe Frau Wagner, so ist es sinnvoll geplant, nach Ihrer Elternzeit in den Beruf als Gymnasiallehrerin in Hollfeld zurück.
Ein Geheimnis guter Ehen ist, dass Ehepartner sich wechselseitig unterstützen in Familienarbeit und Beruf. Ich freue mich, wenn ich das sehe – auch hier. Geplant ist, dass Sie auch in der Elternzeit weiter im Pfarrhaus wohnen werden. Auch das ist gut, denn viele freuen sich, wenn das Pfarrhaus in diesem so besonderen Ensemble belebt bleibt.
Eine wichtige Parallele zu Abraham steht am Schluss meiner Predigt. Sie liegt auf der Hand: Der Aufbruch Abrahams beginnt mit einem Segen wie auch Ihr Neubeginn hier als Pfarrer:
Sie sind berufen in ein Leben in der Nachfolge Jesu Christi. Sie sind gesandt in den Dienst der Verkündigung des Evangeliums und der Feier der Sakramente und Sie werden gesegnet für diesen Dienst und Ihr ganzes Leben.
Wenn Gott segnet sagt er: Ich bin da, bei Dir und ich gehe mit ans Krankenbett, in die Schulklasse, ans Grab und an diesen Altar. Mach Dir keine Sorgen: Mein Geist wird in Dir und durch Dich wirken.
Neben der schon benannten Mehrungszusage ist die Segenszusage in Ihrem Ordinationswortes ungewöhnlich: Gott spricht: „Ich bin Dein Schild und Dein sehr großer Lohn“.
Gott, Dein Schild, schützt Dich, Deinen Leib und Deine Seele.
Wer seinen Lohn von Gott erhält, ist Gott wichtig und er wird frei von Menschen, sogar von ihrem Lob. Trotzdem tut Lob gut; mögen Ihnen - über den Kirchenvorstand hinaus - viele Menschen zugetan sein und an Ihrer Seite.
Gott verspricht aber nicht nur einen Lohn. Er verspricht sich zum Lohn, seine Gegenwart.
Ihr Ordinationswort, lieber Severin Wagner, wird Ihnen immer guttun: Gott ist Dein Schild und Dein sehr großer Lohn: Seine schützende befreiende Gegenwart - in Ihrem Dienst, in Ihrem Leben - ist sein Geschenk heute an Sie.
Amen.