Predigt zur Einweihung des Johannes-Flinner-Gemeindeauses, Zeil am 16. Juni 2024

<p>zu Lesungen: 1. Kor 3,5-16 und Luk 6,47-49</p>

<p>Liebe Gemeinde!</p>

<p>Einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Diese Aussage von Paulus, die wir auch vorhin in der ersten Lesung hörten, passt zur Einweihung des Gemeindehauses, das auf tragendem Fundament steht. Auch das Evangelium veranschaulicht mit dem Bild der großen Flut, wie wichtig es ist, auf festen Grund und Boden zu bauen - jedes Bauwerk und das eigene Leben.</p>

Vor wenigen Wochen machte ich einen Vorbesuch in Ihrer Gemeinde, um schon einmal einen Eindruck vom neuen Gemeindehaus zu erhalten. Leben war im Haus: handwerklich begabte Männer gingen ein und aus; Frauen richteten die Küche kundig ein. Klasse, wie viele sich einbrachten, damit wir heute Einweihung feiern können.

Zudem freute ich mich, als ich sah, wie nah das Haus zur Kirche steht. Das ist der Traum vieler Gemeinden. Bei Ihnen ist er Wirklichkeit geworden. Denn jetzt ist es möglich, direkt im Anschluss an Gottesdienste noch zusammen zu bleiben, Kaffee zu trinken oder zu feiern so wie heute, oder bei Veranstaltungen im Gemeindehaus einfach mal kurz noch zur Andacht in die Kirche zu gehen. Und wenn die Gartenanlagen fertig sind, wird auch der Platz zwischen Kirche und Gemeindehaus im Sommer eine beliebte Fläche sein. Dieses Gemeindehaus wird dem Gemeindeleben guttun. Ich gratuliere und freue mich mit Ihnen.
Pfarrerin Winterstein hatte alles langfristig bestens vorbedacht. Weil ich beim Besuch daher schon wusste, dass die Lesungen vom festen, guten Grund unseres Lebens handeln, vom Boden unter den Füßen, den wir durch Jesus Christus im Glauben haben, musste ich innerlich schmunzeln. Denn das eigentliche Thema beim Durchgang durchs Gemeindehaus war der Boden.
Als er mir gezeigt wurde, verstand ich, dass der Kirchenvorstand und die Mitarbeitenden enttäuscht waren über die waschbetonartige Anmutung. In den Funktionsräumen mag das gut sein. Aber im Saal?!? Da sollen doch auch mal festliche Veranstaltungen stattfinden und gemütliche. Dieser Boden ist beidem nicht gerade zuträglich.
Man musste eben sparen beim Bau. Genauso war es übrigens beim Bau Ihrer vor 99 Jahren eingeweihten Himmelfahrtskirche. Sie bekam ihre Bänke erst vier Jahre nach der Einweihung. Es muss nicht alles gleich perfekt sein.
Inzwischen ist wohl klar, dass eine Schicht über dem Boden angebracht werden soll. Wir hoffen, dass Gott und hilfreiche Spender bei der Verwirklichung helfen werden.
Vermutlich werden sich heute alle den Boden im Saal noch anschauen. Vielleicht hilft er ja auch, unsere heutigen Bibelworte im Gedächtnis zu behalten, die vom Grund und Boden handeln, von dem, der bleibt, der keinen neuen Anstrich braucht, an dem wir - so wie er ist - unsere Freude haben: gemeint ist Jesus Christus.
Im Gemeindehausbau kann man noch einen anderen Boden drauflegen. Beim Bau einer christlichen Gemeinde nicht. Paulus sagt: Einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist: Jesus Christus. Dieser Grund ist vollkommen, gut und schön. Jesus trägt das Gemeindeleben. Er ist die Grundlage und er ist der Grund, warum es überhaupt christliche Gemeinden damals in Korinth und heute hier in Zeil gibt.
Auch uns als Gottesdienstgemeinde gibt es nur aus dem einen Urgrund, dass Jesus lebt und unter uns wirksam ist - damals in Korinth und heute bei uns. Darum gibt es die katholische Kirche und diese Kirche hier in Zeil. Darum wollten Sie ein Gemeindehaus bauen. Denn die Gemeinschaft derer, die an Christus glauben, die braucht auch Räume, in denen sie gelebt wird - eben als Gemeinschaft derer, die sich an Jesus Christus halten und aus diesem Grund zusammengehören. Solche Gemeinschaft zu pflegen ist grundlegend wichtig für das Christsein jedes einzelnen Christen.
Wenn Menschen sagen: Ich kann mein Christsein auch ohne Zugehörigkeit zu einer Gemeinde leben, dann haben sie sich schon vom christlichen Glauben entfernt. Denn zu dem gehört, dass Christen Gemeinschaft suchen und pflegen. Glaube baut sich auf in Gemeinschaft.
Der Kirchenvorstand hat die richtigen Prioritäten gesetzt und das Pfarrhaus verkauft. Denn wichtiger als dass die Pfarrperson in Zeil wohnt, ist, dass die Gemeinde sich in Zeil treffen kann. Auch war das Mesnerhäuschen schon so baufällig, dass wir dankbar sein können, dass nichts passierte. Der Kirchenvorstand hat unter Leitung von Pfarrer Neiber und Pfarrerin Winterstein gut entschieden. Christus bleibt. Die Bauten müssen nicht immer so bleiben, wie sie waren, sie sollen dem Gemeindeaufbau in Gegenwart und Zukunft bestmöglich dienen.

Dieses Gemeindehaus will nun mit Leben gefüllt werden. Unser Bibelwort gibt dafür eine Leitschnur: Die Gemeinde kann für andere Gruppen - auch säkulare - das Haus öffnen, ganz gewiss. Doch sie selbst braucht Treffen - seien sie für Kinder oder Senioren - , in denen Christus zum Tragen kommt mit der Freude und Liebe, die er uns schenkt; Treffen in denen Menschen die Grundlagen unseres Glaubens auch neu lernen und Bibel lesen, weil darin steht, was Jesus uns anvertraut hat. Er selbst wird dann Gemeinde bauen.

Ihr Gemeindehaus soll ja Johannes-Flinner-Haus heißen. Flinner war Bibelfan. Das wurde mir überdeutlich als ich die einzige Schrift, die von ihm erhalten ist, den so genannten Sendbrief, las. Er schreibt ihn einem Freund. Eigentlich ist der Text eine seitenlange Aneinanderreihung von ermutigenden und orientierenden Bibelworten, die dem Freund helfen sollen, seinen Beruf gut auszuüben und die richtige Frau zu finden, eine die auch glaubt. Flinner legt den Grund für ein gelingendes Leben aus Worten der Bibel.

Es ist eine gute Idee, dieses Haus nach dem bibelfesten Johannes Flinner zu benennen, zumal er ein Sohn dieses Ortes ist. Ich gestehe, ich lernte ihn erst kennen als ich hörte, dass das neue Gemeindehaus nach ihm benannt werden soll.
Er wurde 1520 hier geboren. Drei Jahre später wurde Zeil protestantisch - bis zur Gegen-reformation im Jahr 1598. Trotzdem begann Flinner 1535 sein Studium an der streng katholischen Universität Ingolstadt. Doch offensichtlich wurde er auch dort von den reformatorischen Ideen erfasst, wechselte nach Augsburg und wurde evangelisch. Mehr noch, er wurde zum Reformator. Wie alle Reformatoren lehrte er vier Grundaussagen, deren erste Christus benennt.
Sie lauten:
Jesus Christus allein schenkt uns das Heil.
Zweitens: Der schenkt das Heil allein aus Gnade, nicht aufgrund dessen, was wir tun.
Drittens: Allein aus Glauben, das heißt im Vertrauen auf Christus, den Vater im Himmel und den Heiligen Geist nehmen wir das auch für uns an.
Und schließlich: Allein aus der Schrift wissen wir, dass das alles auch stimmt. Sie ist der Maßstab für unseren Glauben.
Das predigte und lehrte er ab 1544 als Pfarrer in Augsburg Heilig Kreuz, in Dänemark, Nürnberg und Wittenberg und ab 1553 in Straßburg. Ab 56 wurde er für drei Jahre als Reformator nach Heidelberg gerufen. Danach war er wieder Prediger in Straßburg, wo er 1578 starb. Auf Flinner ist es übrigens zurückzuführen, dass in Straßburg der berühmte Markt ‚Christkindlmarkt‘ und nicht mehr ‚Nikolausmarkt‘ heißt. Christus war ihm wichtiger als die Heiligen, die mit uns zu Christus beten.

Das Gemeindehaus nach einem Reformator zu benennen, hat bei Ihnen in Zeil gewiss keinerlei antiökumenischen Anklang. Denn in Zeil hat das gute ökumenische Miteinander Tradition. Nur ein Beispiel von vielen: Während sich in Oberhohenried und Haßfurt nach dem zweiten Weltkrieg die Schulkinder getrennt in den Pausen aufhalten mussten, durften in Zeil die Kinder schon zusammenbleiben.
Vor allem ist uns längst der wesentliche Grund der Kirchenspaltung genommen. Katholiken und Lutheraner haben die vier Säulen reformatorischen Glaubens in der sog. ‚Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre‘ als gemeinsames Glaubens-fundament anerkannt vor genau 25 Jahren in Augsburg. Die Kirchen haben damit auf Weltebene erklärt: Unser Glaube verbindet uns. Unsere Grundlagen tragen uns gemeinsam.  
Flinner ist sogar interessant für die Ökumene zwischen Lutheranern und Katholiken. Ein kleiner Ausflug in die Kirchengeschichte: Flinner unterschrieb nämlich zunächst die Confessio Tetrapolitana. Dieses Bekenntnis ist aber nicht lutherisch, sondern tendiert in die reformierte Richtung der schweizerischen Reformation Zwinglis und Calvins. Luther und Zwingli stritten sich aber wegen des Abendmahlsverständnisses. Für Zwingli und die Reformierten sind Brot und Wein ein Zeichen für die Gegenwart Christi. Für Luther ist Christus im Abendmahl in Brot und Wein gegenwärtig. Wir nehmen Leib und Blut Christi zu uns. Da sind wir Lutheraner den Katholiken näher als den Schweizer Reformierten. Flinner wendete sich von der Confessio Tetrapolitana ab und nahm die Confession Augustana an, wurde lutherisch.

Viele, viele Menschen in unserem Land haben allerdings diese Grundlage für ihr Leben nicht mehr. Für mich war sehr eindrücklich, nach der Europawahl die Karte Deutschlands zu sehen auf der farblich markiert war, wo welche Partei in Deutschland stärkste Kraft ist.
Der ganze Osten Deutschlands AfD-blau, im Westen kein einziger Landkreis. Der Grund dafür, liegt darin, dass in Ostdeutschland nach dem contrachristlichen Nationalsozialismus gleich der contrachristliche Kommunismus kam.
Beide - Nationalsozialismus wie Kommunismus - wollten die Grundfesten des christlichen Glaubens ausrotten. Bei einigen ist das gelungen.
Von einer Frau im Osten hörte ich, dass sie sagte: „Ich finde es unmöglich, dass die Kirchen jetzt auch noch das Weihnachtsfest für sich in Anspruch nehmen.“ Da muss man lachen.
Das Gegenteil, von dem was Flinner bewirkte, geschieht: Weihnachts- und Christkindlmärkte heißen in einigen Orten neuerdings Wintermärkte, weil man die Erinnerung an Christus vermeiden will. Erkennbar wandelt sich mit der Distanzierung vom Glauben auch das gesellschaftliche Klima. Es wird fremdenfeindlicher, aggressiver, egoistischer.
Uns könnte Angst und Bange werden, denn diese contrachristliche Säkularisierung ist auch im Westen Deutschlands längst da.
Doch unsere Bibelworte sagen sehr klar:
Solche Lebensphilosophien, die nicht auf Christus gründen, haben keinen Bestand. Im Bild des Evangeliums: Die Flut spült sie weg. Oder im Bild des Korintherbriefs: Sie verbrennen - spätestens im Gericht in der Ewigkeit.
Was im Sinne Christi ist, wird bleiben, denn Christus bleibt, das Wort Gottes bleibt. Wer sich darauf gründet, bleibt fest hier und in Ewigkeit.
Wir wissen wohin wir gehen. Wir haben seine Liebe im Herzen, wir pflegen den Glauben in Gemeinschaft.
Damit sind wir wieder beim Gemeindehaus, das uns hilft, in Gemeinschaft im Glauben an Christus fest zu werden. Das ausgehende Mittelalter brauchte eine Neuorientierung an Christus. Unsere Zeit braucht diese Neuorientierung mindestens ebenso.
Euer Leben hat einen festen Halt, einen festen Grund in Christus. Diese Welt braucht Christus und Menschen wie Euch, die Halt gefunden haben, in ihm.
Amen.